Borgward ist wieder da
Was hat die auf der Frankfurter IAA 2015 präsentierte neue Automobilmarke Borgward eigentlich mit den Isabellas und Arabellas der Fünzigerjahre zu tun ?
“Nichts” wäre genauso falsch, wie ein allzu euphorisches “Alles”.
Der Abgang Borgwards vom Automobilmarkt war 1961 der erste herbe Dämpfer im bis dahin ungebremsten bundesdeutschen Wirtschaftswunder. 20.000 verlorene Arbeitsplätze und ein Händlernetz ohne Nachschub, das kam nicht nur für Bremen einem traumatischen Ereignis gleich. Mißlungenes Krisenmanagement und eine fragwürdige Quasi-Enteignung des Alleineigentümers ließen den in seinem Firmengeflecht omnipotenten “Chef” trotzdem zum Mythos werden: Carl F.W. Borgward – auf Fotos gerne mit Zigarre – war mit einem besonderen kreativen Gespühr für Auto-Trends versehen. Kein anderer verstand es im Nachkriegsdeutschland so wie er Automoden zu erkennen und sie an den deutschen – später auch internationalen – Automarkt anzupassen. Zeitweise waren seine Werke Nummer 3 des deutschen Automarktes.
Oft waren US-amerikanische Fahrzeuge Borgwards Vorbilder. Er brachte als erster die selbsttragende Karrosserie nach Europa, ausgestattet mit elektrischen Blinkern (1949, Hansa 1500), hatte die erste Benzineinspritzung im Programm (1954, Golitah), Autos aus seiner Fertigung verfügten als erste über eine Luftfederung (1959, P100). Daneben standen seine Autos auch für hanseatisch-harmonische Formen, Carl F.W. persönlich legte das Design meist bis ins Kleinste fest. Als eines der schönsten Autos der Fünfziger gilt bis heute die Borgward Isabella. Gegen entsprechendes Geld konnte man sie als “TS” mit stärkerem Motor und viel Chrom bestellen, wobei “TS” für “Touring Sport” stand, neben einen Combi gab es auch ein wunderbares Coupé, dem die Deutsche Post vor einigen Jahren eine Briefmarke widmete. Auch untere Einkommensschichten konnten dank Borgwards Autofashion auf Mopeds oder Fahrräder verzichten: Der Einstieg ins Automobile hieß Lloyd, anfangs einfache Sperrholzwägelchen mit Kunstlederüberzug, später ausgereifte Kleinwagen. Auch sie waren gegen Aufpreis selbstverständlich in “TS”-Ausführung zu haben.
Im verklärten Rückblick steht Borgward als Synonym für die automobile Formensprache der Fünfzigerjahre und für Wertarbeit zu erschwinglichen Preisen. War Borgward vielleicht tatsächlich zu gut für diese Welt, wie es 1962 an der letzten in Bremen produzierten Isabella stand? Borgward, am Unwillen der Mächtigen gescheitert und unverdient untergegangen? So innovativ Carl F.W. Borgward im Technischen auch war, wirtschaftlich hatte er keine gute Hand: Eine wacher werdende internationale Konkurrenz, hausgemachte Rückrufaktionen und eine ausufernde Modellpolitik führten in den spektakulären Konkurs. Abgesehen vom erfolglosen Versuch, den noch in kleinen Stückzahlen nachgefertigten Borgward P 100 aus Mexiko ab 1970 nach Deutschland zu importieren, wurde es sehr still um Borgward, doch in Vergessenheit geriet der Hersteller trotzdem nicht ganz.
Genau hier setzt Borgward-Enkel Christian Borgward an, der seit Jahren am Revival der Automarke seines Großvaters arbeitet. Was am Anfang belächelt wurde, scheint sich positiv entwickelt zu haben, denn im Frühjahr 2015 sorgte “Borgward” auf dem Autosalon in Genf für Aufsehen: Die erste Messepräsentation seit den späten Fünfzigerjahren, neben einem modernisierten Markenzeichen war dort ein klassisches Isabella Coupé zu sehen.
Auf der IAA in Frankfurt im September 2015 sahen dann 930.000 Besucher die erste Neukonstruktion im Zeichen des Rhombus, die seriennahe SUV-Studie Borgward BX 7 AWD inklusiv einer der einstigen Borgward-Tradition entsprechende “TS”-Version. Im SUV sieht nicht nur Borgward die Zukunft, auch andere Automobilhersteller folgen mit Blick auf aufstrebende Märkte in Fernost und Südamerika dem nicht unumstrittenen Trend. Insofern ist die Entscheidung des Unternehmens, ausgerechnet mit einem SUV zu starten, nachvollziehbar und folgerichtig. Punkten will der auferstandene Hersteller mit innovativer Technik, vor allem aber Qualität zu erschwinglichen Preisen, durchaus eine Traditionslinie, denn auch die klassischen Borgward-Fahrzeuge standen im Ruf, ausgezeichnete Qualität zu vergleichsweise moderaten Preisen zu bieten. Weitere Modelle folgen in nächster Zeit, man plant den Aufbau eines Vollprogramms. In Deutschland soll der Verkauf des Allradgetriebenen BX 7 in rund zwei Jahren erfolgen. Schneller am Start ist man dagegen in Fernost und Südamerika. Borgward rechnet vor allem in der Volksrepublik China mit sehr guten Marktchancen, vom dortigen LKW-Hersteller Foton stammt das Kapital für den ambitionierten Neustart. Künftige Borgwards werden deshalb vorerst auch in China produziert, zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Produktion in Deutschland denkbar. Letztlich hängt der Borgward-Neustart von der Marktakzeptanz in den Zielmärkten ab. Stimmen hier Qualität, Sicherheit, Umweltstandards und das Preis-/Leistungsverhältnis, dann hat die alte westdeutsche Automarke “Made in China” eine Zukunft auf dem globalisierten Automarkt des 21. Jahrhunderts.
Von Jan Eggermann, Bilder: Borgward Group AG
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