90 Jahre Citroën in Deutschland
Seit genau 90 Jahren ist der französische Hersteller Citroën in Deutschland aktiv, zeitweise sogar mit einer eigenen Fahrzeugproduktion in Köln. Viele Klassiker der Marke gelten als Meilensteine des Automobilbaus. Doch auch mit aktuellen Modellen ist der Hersteller eine Größe auf deutschen Strassen. Gemeinsam mit DS Automobiles und Peugeot ist Citroën in der Groupe PSA zweitgrößter Automobilhersteller Europas. Ein Rückblick auf neunzig Jahre Marktpräsenz.
Von Jan Eggermann, garage2cv.de
Am 15. Februar 1927 besiegelt ein Eintrag im Kölner Handelsregister den Start der Citroën-Automobil Aktiengesellschaft ganz offiziell. Die Registernummer lautet 6379. Der dazugehörige Gesellschaftervertrag ist am 6. Januar unterzeichnet worden. Neben André Citroën gehören dem ersten Aufsichtsrat auch Jean-Marie Haardt und Charles Mannheimer an. Deutscher Alleinvorstand ist anfangs Felix André Schwab. Nur wenige Wochen später rollen erste Citroën-Fahrzeuge aus dem Werk in Köln-Poll, das Citroën im Vorjahr von einem Unternehmen für Waggonbau übernommen und zwischenzeitlich auf die Produktion von Automobilen umgestellt hatte. *
Köln bietet sich als Standort an, denn verkehrsmäßig liegt es günstig am Rhein und einigen wichtigen Eisenbahnmagistralen, sowie in relativer Nähe zu Frankreich. Daneben verfolgt die Kölner Stadtverwaltung unter dem Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer eine arbeitnehmer- und wirtschaftsfreundliche Industriepolitik, was 1929 einen zweiten internationalen Autobauer – Henry Ford – zum Bau eines Werkes in der Domstadt motiviert.
André Citroën entscheidet sich aus sehr praktischen Erwägungen für ein Werk in Deutschland. Trotz langsamer Normalisierung des Handels nach Ende des ersten Weltkrieges haben sich die meisten europäischen Staaten noch mit hohen Schutzzöllen gegen Importe abgesichert. Ausländische Marken haben es in jenen Tagen ganz grundsätzlich schwer, im Deutschen Reich Fuß zu fassen. Citroën exportiert zwar auch vor 1927 nach Deutschland, doch die von privaten Händlern abgesetzten Fahrzeuge sind aus den genannten Gründen kaum konkurrenzfähig. Um den kostspieligen Import von Fahrzeugen zu umgehen, bietet sich eine Fertigung vor Ort an. Sie garantiert die Marktpräsenz der mit internationalem Anspruch agierenden Pariser Citroënwerke, eine bessere Konkurrenzfähigkeit und letztlich auch das Label “Made in Germany”.
Letzteres geht zwar der im “Reichsverband der Automobil-Industrie” organisierten Konkurrenz zu weit, die im September 1927 ein Urteil gegen die Citroën-Automobil A.G. in Köln-Poll erwirkt, wonach man die Autos nicht mehr als “deutsches Produkt” bezeichnen darf. Doch tatsächlich bestehen die in Köln gefertigten Citroën-Fahrzeuge schon bald zu 100% aus in Deutschland hergestellten Teilen. Getriebe kommen von Z&F, Fahrzeugrahmen von Krupp und komplette Motoren liefert seit 1932 Siemens & Halske. Wie auch in seinen anderen Werken setzt André Citroën auch in Köln auf die wegweisende Fließbandproduktion, deren europäischer Vorreiter im Automobilbau er ist. 1934 besucht er anläßlich der anlaufenden Produktion des Traction Avant sein Poller Werk letztmals persönlich.
Als sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland unter der neuen Reichsregierung Hitlers für Citroën immer weiter verschärfen und auch das Pariser Stammhaus im Dezember 1934 in finanzielle Schwierigkeiten gerät, stockt in den folgenden Monaten auch die Produktion in Köln. Irgendwann gegen Ende des Jahres endet sie nach insgesamt 1.817 “deutschen” Citroën. Von Poll aus werden jetzt nur noch Ersatzteile verschickt, manchmal repariert man auch Fahrzeuge. Mit Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 gerät die Poller Citroën Dienst AG als “Feindvermögen” unter Zwangsverwaltung und das nach wie vor Citroën gehörende Werk wird zu einem Rüstungsbetrieb unter Regie von Klöckner, Humboldt & Deutz. Massive Luftangriffe lassen spätestend im Oktober 1944 alles endgültig in Schutt und Asche versinken.
Ein neuer Markteintritt gelingt Citroën dann erst Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, als am 7. Juni 1950 eine neue Citroën Dienst Aktiengesellschaft (ab Ende 1950 Citroën Deutschland AG, seit 2009 Citroën Deutschland GmbH) von Köln aus wieder in Aktion tritt. Anfangs werden praktisch nur Ersatzteile und wenige Citroën Traction Avant importiert, ab 1955 auch die Citroën DS. Eine eigene deutsche Produktion wird nicht mehr aufgebaut, allerdings gibt es Überlegungen zur Montage des 2CV. Da aber kurze Zeit später die Zollschranken fallen und belgische und französische Citroënwerke ohnehin größere Produktionskapazitäten erreichen können, ist eine Produktion in Deutschland (Abgesehen von einem Werk für Antriebswellen in Mosel bei Zwickau in den achtziger Jahren) nicht mehr notwendig.
Citroën steht spätestens seit Vorstellung der DS 1955 für unverwechselbare Designs und technische Innovationen. Neben der bekannten hydropneumatischen Federung oder einer geschwindigkeitsabhängigen Lenkung bringt Citroën später auch mitlenkende Hinterachsen oder engagiert sich mit NSU in einer Gesellschaft zur Entwicklung von Wankelmotoren. Ab 1959 steigen die Absatzzahlen stetig. Daran hat die “Göttin” DS, vor allem der 2CV, nachhaltigen Anteil. Neben der “Ente” sind in den Siebzigern vor allem GS/GSA und CX gefragt, in den Achtzigern und frühen Neunzigern dann AX, BX und ZX. Einen echten Volltreffer landet Citroën dann 1996 mit dem multifunktionalen Citroën Berlingo.
Um den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden, bezieht Citroën 1959/60 ein großes Areal in Westhoven bei Köln, das über fünfzig Jahre lang als deutsche Citroën-Zentreale dient. 1975 werden von hier aus erstmals über 50.000 Fahrzeuge abgesetzt, bisheriges Spitzenjahr ist 2009 mit 101.370 neuen Citroëns in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2013 sind die Deutschlandaktivitäten der gesamten Groupe PSA – also Citroën, DS Automobiles und Peugeot – nur einige Kilometer weiter in Köln-Grembergerhoven angesiedelt. Doch nach wie vor erinnert am alten Standort die André Citroën Strasse an den Mann, mit dem vor genau neun Jahrzehnten alles begann.
Lesetipp
Kölner Stadt-Anzeiger
Spurensuche: Als in Köln ein Citroën-Werk stand
Immo Mikloweit
75 Jahre Citroën in Deutschland & Citroën Automobile
* Produktionsanlagen betreibt Citroën am Ende der Zwanziger auch in Belgien, Großbritannien, Dänemark und Italien.
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