Croisière Jaune: Citroën-Autoraupen nach China
Zum 85. Jahrestag des Beginns der Ostasien-Expedition
“Die Durchquerung einsamer Wüsten und windumwehter Höhen, über schneebedeckte Gebirgspässe, durch unwirkliche Länder in denen noch alte Kulturen blühen, in das große, mysteriöse und faszinierende China – Das wird die Route der Trans-asiatischen Citroën-Expedition sein, die Anfang April 1931 Beirut verlässt,” schreibt Georges-Marie Haardt 1931.
Haardt ist Leiter der als Croisière Jaune in die Geschichte eingegangenen Durchquerung Asiens auf den Spuren des Marco Polo in Citroën-Autoraupen. 1922 hat er im Kraftfahrzeug die Sahara durchfahren und erreicht als erster auf diesem Wege Timbouctou, 1924-25 leitet er gemeinsam mit seinem Freund Audouin-Dubreuil eine Citroën-Expedition von Algier bis Kapstadt und Madagaskar, die als Croisiere Noire bekannt wird. Am 4. April 1931 startet die Fahrt von Beirut aus. Georges-Marie Haardt, der verfasst vorab einige Zeilen zu den Zielen und der Ausstattung der Expedition, die jetzt in deutscher Sprache zu lesen sind.
“Mit unseren afrikanischen Erfahrungen im Rücken arbeiteten Audouin-Dubreuil und ich nun unseren jetzigen Plan aus. André Citroëns unstillbares Interesse an wissenschaftlichen Entdeckungen machte durch seine Unterstützung die vorherigen Unternehmungen möglich. Jetzt übertrug er uns wieder das Kommando über eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Technikern, ganz zu Schweigen von der großzügigen finanziellen Unterstützung. Auch die Pathán-Natan Gesellschaft stellt ausgebildetes Peronal und Apparate zur Aufnahme bewegter Bilder mit Ton, ebenso signifikante finanzielle Mittel.
Die französische Regierung und einige andere wissenschaftliche Organisationen unterstützen uns ebenfalls, doch das Interesse an unserem Projekt macht auch vor der französischen Grenze nicht Halt: Ich war sehr stolz und glücklich, von der Hilfe und Unterstützung der National Geographic Society zu hören. Die berühmte Organisation stellte uns ihren Auslandschef Dr. Maynard Owen Williams zur Seite, der mittels Radionachrichten die Welt über unseren Fortgang informieren wird. Es ist eine große Ehre, ihn in unserem Team begrüßen zu können.
Während unserer Reise werden wir mit allen Temperaturvariationen zu tun bekommen,von den winterlichen Höhen des Pamir bis zur rückenden Hitze des Indo-chinesischen Sommers; außerdem mit jeder erdenklichen Art von Landschaft, von tropischen Gegenden und Sand-und Geröllwüsten bis hin zu Gebirgspässen. Aufgrund dieser klimatischen und topografischen Bedingungen ist es notwendig, dass wir zwei komplette Ausrüstungen mit uns führen: Eine für den täglichen Gebrauch und eine für etwaige Probleme die sich beim Überqueren des Pamir ergeben könnten. Wir verlassen Beirut also in den “Pamir-Fahrzeugen” und haben vor, mit ihnen möglichst bis nach Kashgar in Chinesisch-Turkistan zu kommen.
Allerdings könnten sich die Pässe des Pamir trotz aller sorgfältigen Planung als unüberwindbar darstellen, weshalb wir für diesen Fall das Gebirge zu Fuß oder mit Yaks überwinden werden um unsere Ausrüstung dann in Kashgar auf die anderen Fahrzeuge umladen werden. Unter dem Kommando von Leutnant Point sind sie bereits seit Februar im Dampfschiff nach Peking unterwegs. Alle Fahrzeuge sind Autoraupen, aber die “China-Fahrzeuge” sind größer und schwerer als diejenigen, mit denen wir den Pamir überqueren wollen. Es gibt sieben “China-Fahrzeuge” alle mit Anhängern versehen.
Zwei Fahrzeuge werden fotografische Ausrüstung und Geräte für Tonaufnahmen und echte Farbaufnahmen transportieren. Ein Fahrzeug wird als Krankenfahrzeug dienen und ist so entworfen, dass es sehr leicht in eine Ambulanz oder ein Feldlazarett umgebaut werden kann.
(…)
Die Expedition führt eine komplette Werkstatt mit sich und wäre in der Lage ein Fahrzeug komplett aus Ersatzteilen aufzubauen. Eine der wichtigsten Fahrzeuge ist der Küchenwagen, der ein wenig von Speisewagen der Eisenbahn inspiriert ist. Er ist mit Kerosinkochern ausgestattet und verfügt über viele Küchenapparaturen bis hin zu außen Diese Kette überspannte einen ganzen Kontinent: Genau 60 Glieder und Gummiköpfe haben die Ketten der Citroën-Autoraupen.
In jeder Gruppe gibt es auch ein Fahrzeug mit starken ausklappbaren Tischen. Mahlzeiten für 30 bis 40 Personen vorzubereiten beansprucht viel wertvolle Zeit, und, da wir das Tageslicht bestmöglich ausnutzen wollen, wird das Essen schon während der Fahrt vorbereitet, damit es an den vorgesehenen Stopps fertig ist.Radioanlagen, die beide einen Sende-und Empfangsradius von 5.000 Kilometern haben. Der Radiowagen der “Pamir-Gruppe” wird uns nur bis zum halben Weg zwischen Meer und Bergen begleiten, um so als Relaisstation den Kontakt mit Europa und Amerika sicher zu stellen. Jede dieser Radioeinheiten verfügt über 67-Fuß hohe Teleskopantennen, die zwischenzeitlich auf sehr kleinem Raum gelagert werden können.
Jedes Fahrzeug verfügt über Platz für 5 Personen. In den einachsigen Duralumin-Hängern befindet sich das Schlaf- und Campingzubehör inklusiv eines großen, oben angebrachten Zelts. Es gibt fließendes Wasser und ein Beleuchtungssystem, gespeist aus starken Batterien.
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Jedes Fahrzeug der “China-Gruppe” hat jeweils einen Sechzylinder-Motor mit 50 PS, dessen Treibstoff in zwei regulären Tanks mitgeführt wird, daneben gibt es noch einen Reservetank. Die Vergaser sind mit übergroßen Luftfiltern ausgestattet um jedweden Einfluß von Sand und Staub auszuschließen. Der Kühler ist unüblich stark gebaut und kann verdampftes Wasser kondensieren falls notwendig. (…) Eine voll beladene Einheit wiegt meht als 5 Tonnen, kann allerdings problemlos 16% Steiungen überwinden und an jedem Punkt bei An-oder Abstieg stoppen. Die Frontbereifung besteht aus Niedrigdruck-Reifen, die in Verbindung mit den Gummiblöcken der Ketten für einen bemerkenswerten Fahrkomfort sorgen.
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Die Gebirgsfahrzeuge mit 4-Zylinder Motoren sind leichter und schmaler und haben eine etwas andere Bestimmung. Während ihrer Konstruktion wurde Höchstgeschwindigkeit der Kraft vorgezogen, denn sie sind dazu bestimmt, einige meiner Begleiter und mich auf Höhen zu bringen, die nie zuvor ein Motorfahrzeug befahren hat. Die Pamir-Pässe die wir zu überqueren versuchen sind alleine höher, als die höchsten Berge Europas. Wir haben uns auch auf den in solchen Höhen zurückgehenden Sauerstoff vorzubereitet. So gibt es spezielle Getriebe und eine Zusatzaparatur zur Kompensation des auf 50% zurückgehenden Sauerstoffs. Diese Fahrzeuge haben eine Steigfähigkeit von 35%.
Um auch extremer Kälte gewappnet zu sein sind Motorhaube und Kühler besonders geschützt, unter den Motoren befinden sich zwei Stahlträger, außerdem gibt es Vorwärmer am Auspuff, die so gebaut sind, dass sie etwaige Gasexplosionen dämpfen werden.
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Bei der Überquerung der Alpen mit Elephanten wird wohl auch Hannibal ähnliche Schwierigkeiten wie wir gehabt haben, die wir nun den Pamir im Automobil zu überqueren suchen.
Ich habe keine genauen Vorgabe zu den täglich zu fahrenden Distanzen. Weder die Natur noch der Charakter unserer Fahrzeuge wird uns erlauben schnell zu sein. Die normale Geschwindigkeit der “China-Fahrzeuge” beträgt zwischen 5 bis 29 Stundenkilometer, das Erkundungsfahrzeug fährt etwa 11 Stundenkilometer schneller. Die “Pamir-Autoraupen” fahren zwischen 2 und 20 Stundenkilometer.
Unsere Wissenschaftler und Künstler müssen regelmäßige Halts einlegen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Im besten Fall werden wir pro Tag 160 bis 260 Kilometer zurücklegen können, abhängig vom Terrain entsprechend weniger. Möglicherweise werden Flüsse, die für eine Überquerung zu tief sind, zum zeitraubendsten Hindernis. Monsieur Charles Brull, der zusammen mit den Herren Kegresse und Penaud die Entwicklung der Autoraupen und aller technischen Ausstattung überwacht hat, ist mit der Lösung solcher Probleme “en route” betraut. Für den Fall, dass Baumaterial nicht vorhanden ist, führen wir etwas davon mit.
Die Fahrzeuge sind übrigens so konstruiert, dass die Motoren auch unter Wasser – jedenfalls bis zu einer Tiefe vonn 3 Fuß – funktionieren, allerdings werden viele der zu überquerenden Flüsse viel tiefer sein. Jedes Fahrzeug führt hierzu vom französischen Militär entwickelte “Schwimmflöße” mit sich, die – aufgeblasen – ein Gewicht von ca. 2,4 Tonnen schiffen können. Mit sieben dieser improvisierten Ponton kann jeweils ein vollbeladenes Fahrzeug verschifft werden, für diesen Zweck verfügen wir über einen Außenbordmotor.
Teile unserer Reise werden durch Wüstenregionen führen, in denen es nur wenige, unbekannte, oder nicht vorhandene Pisten gibt. Um diese Regionen zu durchqueren ist eine ähnliche Navigation wie für ein Schiff auf See notwendig. Mit Sextanten sind Beobachtungen mölich und wir können unsere Positionen zur Sicherheit mit den Radio-Zeitsignalen aus Paris oder Washington überprüfen.
Es ist notwendig sehr präszise in den Kalkulationen zu sein, um in Karten vermerkte Pisten zu finden, die oft auch gar nicht auffindbar sind. Möglicherweise wird diese Prozedur aber auch lediglich bei der Durchquerung der Wüste Gobi notwendig. Ganz generell gesagt versuchen wir, so nah wie möglich an natürlichen Wegen zu bleiben und uns dabei auf die Hilfe lokaler Helfer zu verlassen.
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Vor uns liegen 24.000 abenteuerliche Kilometer, die viele Möglichkeiten zu Entdeckungen und wissenschaftlicher Forschung bieten. Wir sind ausgerüstet, wie keine andere Expedition moderner Zeit. Unser Personal kombiniert Erfahrung und wissenschaftliches Wissen. Die Resultate unserer Arbeit werden einen echten Wert darstellen und der Menschheit helfen, das heutige Leben im Orient und das schnelle, westliche Leben besser zu verstehen.
Georges-Marie Haardt, April 1931 (Übersetzung: Jan Eggermann)
Text: Georges-Marie Haardt, Jan Eggermann
Bilder: Citroën, Maynard Owen Williams / Archiv Garage 2CV
Literaturhinweis
Unter dem Titel La croisière jaune – Sur la route du soie ist bei Glenat ein wundervolles Buch in französischer Sprache erschienen, das eine Reihe von reproduzierten Faksimiles der Reise enthält, etwa den Reisepass von Georges-Marie Haardt.
Erhältlich ist es bei edition garage2cv.
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