Ein Citroën 2CV von 1939
Seltener Besuch bei der diesjährigen Techno Classica in Essen: Die bundesdeutschen Citroënisten hatten es dank ihrer guten Kontakte zum Conservatoire Citroën geschafft, einen der ganz wenigen Überlebenden der ersten Citroën 2CV-Serie von 1939 auf die Citroën-Straße zu holen.
Text: Jan Eggermann, Bilder: Garage 2CV
Diesen überlebenden 2CV A „Prototyp“ zu nennen, ist allerdings nicht angebracht. Denn bei diesem „ganz kleinen Autos“ (frz. „Toute petite voiture, also „TPV“) handelt es sich tatsächlich um ein ausgereiftes und marktreifes Fahrzeug. Nur der Krieg entschied anders und führte zum 2CV A von 1948, der dann die Grundlage für alle weiteren Ententypen bis 1990 bildete.
Der restaurierte und im Convervatoire Citroën befindliche 2CV A wurde 1968 in einer Scheune auf dem Versuchsgelände von La Ferté-Vidame gefunden und dann mit Karosserieteilen und weiteren Elementen komplettiert, die ebenfalls in der Scheune eingelagert waren. Der 1968 noch als einziges überlebendes Exemplar der 39er-Serie geltende 2CV wurde damals nicht neu lackiert, wie alte Farbfotos belegen. Die Karosserie blieb also im Originalzustand und nur die Mechanik wurde etwas überholt, um sie zum Laufen zu bringen. In den 1980er Jahren wurde er erneut restauriert, diesmal aber gründlicher, wenngleich auch nicht authentischer. Denn jetzt wurde seine Karosser in Armeegrün lackiert, also einer Farbe, von der man glaubte, sie sei bei PKWs kurz vor dem Krieg verwendet worden. In dieser Konfiguration blieb der Wagen bis in die 2000er-Jahre, als er zum 60. Geburtstag des 2CV abermals lackiert wurde. Der aktuelle Farbton entspricht dabei Farbresten, die man an kleinen Nabenkappen gefunden hatte, die gut verpackt und lichtgeschützt im Wageninneren gelegen hatten.
1994 wurden dann noch weiter drei 2CV A in La Ferté-Vidame „gefunden“. Das in Essen gezeigte Exemplar gehörte dazu. Unweit vom Eingang des dortigen Citroën-Versuchszentrums befanden sich in einer Halle mehrere Oldtimer, die auf ihre spätere Restaurierung warteten, außerdem der Citroën-Hubschrauber. Dann gab es dort noch mehrere Kisten mit Ersatzteilen, darunter auch einige Motoren der 2CV A von 1939. Yannick Billy, langjähriger Mitarbeiter des Conservatoire Citroën erinnert sich: “Als Jean Claude Lannes und ich eines Tages dort waren, erzählte uns der Verwalter des Versuchsgeländes, dass er uns noch weitere Teile zeigen könne, die aber an einem anderen Ort aufbewahrt wurden. Er führte uns sodann in das alte Gehöft inmitten des Geländes, das auch als „Der Bauernhof” bezeichnet wird und führte uns auf einen Dachboden im ersten Stock. Dort lagen nicht nur ein paar Ersatzteile vor uns… Wir waren völlig erstaunt!” Denn unter alten, völlig zerfetzten Planen und von dicken Staubschichten bedeckt, erkannten die beiden die Silhouetten von 2CV, die offenbar seit fünfundfünfzig Jahren im Dornröschenschlaf lagen. “Zwei blickten in unsere Richtung und eine stand mit dem Gesicht zur Wand.”
Nachdem der Überraschungseffekt verflogen ist, beginnen die beiden voller Aufregung die erste Plane zu heben. Und tatsächlich: Ein 2CV, und was für einer! “Wir standen vor einem TPV. Ein echter und kompletter mit allen Teilen. Teilweise zerlegt mit Türen und Karosserieteilen im Inneren, aber ein TPV! Auch die anderen beiden packten wir aus. Einer davon wies einige Unterschiede auf, wie einen zweiten Scheinwerfer und ein modifiziertes Armaturenbrett. Die Karosserie war bis auf das im Laufe der Zeit verformten Plexiglas komplett.”
Der Chef des Testgeländes wusste mehr zu berichten. Demnach wussten von ihrer Existenz auf dem Gelände des Testzentrums nur sehr wenige und im Laufe der Jahre war auch strikte Anweisung erteilt worden, nichts über den Speicher zu verraten. Das Geheimnis blieb dann auch bis 1994 ungelüftet. In der Pariser Citroën-Kommunikationsabteilung schienen auch ein oder zwei Personen zu wissen, dass in La Ferté-Vidame Teile alter 2CVs, aber wohl keine ganzen Autos existieren. (Citroën-Kommunikationschef Jacques Wolgensinger hatte 1968 zum zwanzigsten Geburtstag des 2CV den „ersten“ TPV “entdeckt”, der mit Teilen der anderen fahrfähig gemacht wurde) Hatte es bislang geheißen der 2CVA in der Citroën-Sammlung und ein weiterer in einem Museum in La Rochetaillé seien die letzten Überlebenden der 2CV-Frühzeit, musste die Enten-Geschichte nun neu geschrieben werden.
Zurück in Neuilly-sur-Seine blieb Billy und Lannes nichts anderes, als ihren Chefs mitzuteilen, was man gerade entdeckt hatte. Doch die glaubten der Geschichte nicht und waren sich sicher, dass dort nur ein paar alte Ersatzteile gefunden worden seien. Denn die Geschichte des 2CV war doch geschrieben, sollte man sie tatsächlich rückgängig machen? Man ließ die 2CV A jedenfalls noch ein paar Jahre vor Ort, bevor sie wieder ans Tageslicht durften. In aller Ruhe bereitete Citroën dann die Operation „Extraktion“ vor und an einem verschneiten Januarmorgen 1998 kamen die drei ehrwürdigen 2CV A wieder das Licht der Welt. In einem geschlossenen LKW wurden sie direkt in einen sicheren Raum im Werk Aulnay-sous-Bois gebracht, wo sie vor allen Blicken geschützt blieben. Selbstverständlich ohne jedwede Kommunikation. Im Februar 1998 wurden sie dann erstmals in ihrem aktuellen Zustand auf der Rétromobile an der Porte de Versailles in Paris zum 50-jährigen Jubiläum des 2CV gezeigt und in Folge noch auf einigen Oldtimermessen und vor allem auf großen Citroën-Treffen, so dem Weltententreffen in Salbris 2012. Und im letzten April dann tatsächlich auch auf Citroën-Straße in Essen!
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