Der schwebende Motor von Citroën

Der schwebende Motor von Citroën - Jetzt beie Garage 2CV

1932 bringt Citroën als erster europäischer Hersteller den „Schwebenden Motor“. Das berühmte Logo der komfortablen Technik entsteht bei einem Spaziergang im Bois du Boulogne dank einer gewissen Catherine Louys. Sie ist die kleine Tochter des berühmten künstlerischen Leiters von Citroën, Pierre Louys.
 
Text: Jan Eggermann, Bilder: Garage 2CV / Archiv Immo Mikloweit
 
Silentblöcke als Motorlager sind heute bei allen Automobilherstellern Standard. Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts ist das noch lange nicht so, denn Motoren und Getriebe sind damals noch immer praktisch ohne weitere Dämpfung mit den Fahrgestellen der Automobile verschraubt, die aber Vibrationen völlig ungefiltert an die darauf montierten Holz- oder Stahlkarossen weitergeben. Das macht das Fahren vergleichweise ruppig, und führt natürlich auch oft zu Ermüdungsbrüchen an zeitgenössischen Chassis.
 

 
Das Weymannsche Konstruktionsprinzip

Doch in der ersten Hochzeit des Automobils in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg geht der Lösungsansatz erst noch in eine ganz andere Richtung. Denn der in Port-au-Prince geborene und zeitlebens in Paris lebende Flugzeugingenieur Charles Torrès Weymann hat seine im Flugzeugbau gewonnenen Erkenntnisse auf den Automobilbau übertragen und sich seine sogenannte „Weymann-Karosse“ in vielen Ländern patentieren lassen, so unter dem Reichspatent „Nr. 384074, Klasse 63c, Gruppe 22“ am 29. Januar 1922 auch in Deutschland. Um Quietschgeräusche und Verwindungsbrüche möglichst auszuschließen, hat Weymann eine Technik entwickelt, bei der einzelne Teile eines Holzgerippes mit einfachen Metallaschen zu einer Karosserie verschraubt werden. Die Einzelteile sind dabei mit Gummi belegt und werden, zur Karosse komplettiert, mit Kunstleder bezogen. Um die Verbindung zwischen Aufbau und Chassis möglichst noch mehr zu dämpfen, wird noch ölabscheidendes Papier dazwischen gelegt. Die Sitze bleiben allerdings weiterhin mit dem Chassis verbunden. Weymann vergibt eine ganze Reihe von Lizenzen und betreibt zeitweise sogar eigene Produktionswerke in Paris, London und von 1924 bis 1930 auch die „Weymann Karosserie GmbH“ in Köln. Unter den deutschen Lizenznehmern finden sich die Firmen Heinrich Gläser/Dresden, Eugen Rupflin/München und die Papler Karosseriewerk G.m.b.H./Köln, die allesamt Karosserien für die deutsche Citroën Produktion liefern, etwa Rupflin als Aufbauhersteller für Citroëns Autoraupen (siehe ACZ 3/21). Doch abgesehen von der aufwendigen Herstellung der Weymannschen Konstruktionen gibt es bei den Holzaufbauten angesichts von Verwindungen sehr oft Probleme mit der Passgenauigkeit von Fenstern und Türen. Völlig ungelöst bleibt zudem das Problem der Vibrationsübertragung von Motoren auf das Chassis. Und der Langlebigkeit von Holzaubauten sind naturgemäß ebenfalls Grenzen gesetzt. Dass Anfang der Fünfziger in Bundesrepublik und DDR die Lloyd Motoren Werke und IFA-DKW noch am längst überholten Konstruktionsprinzip festhalten ist ein Anachronismus, von dem sich Citroën schon Mitte der Zwanziger wieder entfernt. Denn Europas damals größter Hersteller bringt beim Pariser Automobilsalon im Oktober 1924 bei den Typen C4 und C6 die ersten Ganzstahlkarossen und kehrt so wieder von Weymann ab (der seine Werke ab Mitte der Zwanziger wieder schließt, aber durch seine Lizenzen über die nötigen Mittel verfügt, noch viele Jahrzehnte weiter im Automobilbau zu forschen). Doch auch mit der „Tout acier“-Bauweise ist noch keine Lösung für die störenden Vibrationen gefunden, im Gegenteil: Die Ganzstahlbauweise stellt ganz neue Herausforderungen in Sachen Schall- und Vibrationsschutz.
 

 
Die „Lemaire-d‘Aubarède-Formel“
Abhilfe schafft erst die Erfindung des am 20. August 1899 in Saint Genis-Laval bei Lyon geborenen Ingenieurs Paul d’Aubarède. Der hat nach seinem Diplom 1923 beim Last- und Kraftwagenhersteller Berliet angefangen und wechselt später zum ebenfalls in Lyon ansässigen Hersteller Rochet-Schneider. Dort befasst man sich neben der Herstellung von Schienenfahrzeugen und luxuriösen Automobilen mit dem Bau von Lastkraftwagen, die natürlich mit ihren vergleichsweise starken Motoren ein besonderes Problem mit Vibrationen haben. Um 1927 herum führt die Entwicklungsarbeit d‘Aubarède zur Überlegung, die Motoren grundsätzlich vom Chassis zu trennen. Gemeinsam mit seinem alten Schuldirektor Pierre Lemaire stellt er Berechnungen an und formuliert folglich einen theoretischen Ansatz zu Vibrationen von Motoren, die noch heute gültige „Lemaire-d‘Aubarède-Formel“. Die beiden entwickeln auch den Prototyp eines „schwebenden Motos“ und lassen ihn in Frankreich patentieren.
 

Der „Floating Power“, ein Chrysler-Patent

Zeitgleich arbeiten auch in Detroit die erst seit Juni 1925 aktiven, aber sehr fortschrittsorientierten Chrysler-Werke an einer technischen Lösung des Vibrationsproblems. Deren Entwicklungschef Owen Ray Skelton lässt auf der Suche nach einem Ausweg 1.000 Lösungsansätze sichten und sichert dem aufstrebenden Hersteller (1936 steht man an zweiter Stelle der US-amerikanischen Zulassungen) das Patent aus Frankreich. Chrysler entwickelt damit die eigene und von anderen Herstellern lizensierbare Marke „Floating Power“. Deren technologischer Kern sind elastische Lagerungen zwischen Motor und Chassis, die Motorschwingungen weitgehend abdämpfen. Ständig auf der Suche nach neuen, technischen Innovationen, wird auch André Citroën schnell auf das Patent aus den Vereinigten Staaten aufmerksam. Er erwirbt für Europa die exklusive Fertigungslizenz, durch die im April 1932 die neue Technik erstmals in bei C4 und C6 zum Einsatz kommt. Durch die starken, elastischen Gummilager „hängt“ der Motor im Chassis und „schwingt“ um eine durch seinen Schwerpunkt verlaufende Längsachse.
 
So kann ein Großteil der Schwingungen und Bewegungen absorbiert werden, was im Fahrgastraum des Citroën eine nie zuvor erreichte Fahrstabilität und Ruhe mit sich bringt. Durch die reduzierten Vibrationen erhöht sich der Fahrkomfort und die bessere Stabilität macht den Wagen sicherer. Eine weitere Begleiterscheinung ist die verbesserte Haltbarkeit der Fahrzeuge. Von 1932 bis 1935 tragen alle Citroëns mit „schwebendem Motor“ ein entsprechendes Signet, das beispielhaft für Citroëns Fähigkeit steht, technische Innovationen stets auch durch perfekte Werbegrafik im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Lieferte Citroën zahlreiche Beiträge zur Entwicklung des Automobils, so handelte er wohl in der Über-zeugung, dass „im Mechanismus des Fortschritts die Innovation nicht so wichtig ist, wie ihre Verbreitung,“ wie es spanische Citroën-Presseleute unlängst schrieben. Und weiter: „Der schwebende Motor war ein perfektes Beispiel für diese Philosophie; eine avantgardistische Innovation, die 1932 in Europa vorgestellt wurde und die auch das Logo an der Front der mit dieser Technologie ausgestatteten Modelle werden sollte.“
 

 
Der schwebende Motor
Um den Unterschied zwischen Automobilen und den komfortablen und leisen Citroën zu verdeutlichen, entwickelt die Pariser Citroën-Werbeabteilung eine Werbekampagne, die um eine klare und überzeugende Dokumentation ergänzt, vom gesamten Citroën-Vertriebsnetz unter die Leute gebracht wird. Grafisch taucht durchgängig ein leicht erkennbares Symbol auf, das die „Floating Power“ mittels eines über Wellen gleitenden Schwans symbolisiert, gewissermaßen als Ausdruck von Schönheit und Grazie. Übersetzt („Moteur flottant“ oder auch „Schwebender Motor“) findet es sich fortan in allen Arten von Werbung, und in Form von Plaketten wird es auch an den Fahrzeugen angebracht. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die entsprechende Messingplakette der Kölner Citroën-Produktion. Auf die Idee, den „Schwebenden Motor“ mit einem dahingleitenden Schwan zu verbinden, kommt Citroëns künstlerischer Leiter Pierre Louys, der seit 1920 im Unternehmen ist und seitdem eine unverkennbare Citroën-Werbeästhetik ge-schaffen hat. Er zeichnet farbenfroh und bringt die Citroëns oft mit eleganten Frauenfiguren in Verbindung, wodurch das Image des Doppelwinkels als besonders elegante Marke geprägt wird. Louys ist auch für den Titel der Werkszeitschrift „Bulletin Citroën“, und überhaupt für alle Werbekampagnen und auch die Illustrationen von Katalogen und ähnlichen Druckerzeugnissen verantwortlich. Bei einem Spaziergang mit Tochter Catherine im Bois du Boulogne fällt der sprichwörtliche Centime für den Schwan als Symbol für den „Schwebenden Motor“: Das kleine Mädchen ist fasziniert von den Schwänen, die über die Wasseroberfläche des Sees gleiten. Genau diese Inspiration braucht Pierre Louys um auf die Idee zu kommen. Und dass die Schwäne eine V-förmige Spur hinter sich lassen, die ein wenig an den Doppelwinkel erinnert, ist gewissermaßen die letzte Motivation für ein zeitweise weltbekanntes Symbol: Ein elegant zwischen Doppelwinkeln dahin gleitender Schwan, „Der Schwebende Motor“!

 
Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erfolgte in Ausgabe 4/2022 der André Citroën Zeitung.
 
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