Der historische 2CV-Text: Mit der Ente zur Arche Noah
Der erste Schweizer Zöllner kurz vor Genf sagt verschlafen “Gruezi” und protokolliert bedächtig, was wir haben: Einen 2CV, vier Ersatzreifen, vergitterte Scheinwerfer, keine Pornographie und vor allem nicht den Wunsch, in der Schweiz zu arbeiten. Dann macht er ein kleines Spässli, sagt, er würde auch gern mit einem 2CV “mal nach Kabul fahren, aber nicht ohne Mädchen dabei” und gibt die Fahrt frei. Vor uns liegen noch 16.000 km, und wir liegen zwischen 494 2CVs, Dyanes oder Méharis, die alle von Paris nach Kabul und zurück wollen. Und zwar in 30 Tagen, wie es in den Bedingungen der von Citroën und Total organisierten Fernfahrt der häßlichen Entlein und ihrer Verwandtschaft heißt.
Die Schweiz ist ein schönes Land mit sauberen Straßen, und alle verstehen einen, wenn man an der Tankstelle sagt: bitttschön 20 Liter und die Reifen prüfen. Es gibt viele Banken und die Landschaft sieht aus wie die Buntdrucke auf Schokoladetafeln. Fünf Stunden später schon stellt wieder ein Zöllner, diesmal ein italienischer, fest, daß wir keine Pornographie mithaben und auch in Italien nicht arbeiten wollen, und die Schweiz ist vorbei und Italien beginnt. Wir sehen es nur als Autobahn, sechs Stunden lang, sprechen nur mit Beamten in Operettenuniformen, die Hände aus dem Häuschen strecken, um die Autobahngebühr zu kassieren, und mein Co-Pilot Ulli sagt, bei solchen Fahrten lerne man die Länder schon kennen. Ulli ist 23 Jahre alt, ein erfahrener 2CV-Fahrer, groß und blond. Im Orient hat er später öfters Schwierigkeiten,weil man ihn gerne als Schwiegersohn hätte. Unser 2CV ist noch relativ neu und ziemlich weiß. Im Gegensatz zu der normalen Ausführung wurde der Beifahrersitz durch einen Liegesitz ausgetauscht. So kann der Co-Pilot auch während der Fahrt relativ ungestört schlafen. Und das bringt Zeit.
In Belgrad, beim ersten offiziellen Kontrollpunkt, sind wir das 20. Team. An einer Tankstelle erfahren wir, daß auch eine jugoslawische Mannschaft am Start ist. “Aber die sind weit vorne”, sagt der Tankwart und legt Wert auf die Feststellung, daß er sich fairerweise und trotzdem mit dem Tanken beeile. Wir sind nun seit drei Tagen unterwegs und nirgends waren die Polizeibeamten so freundlich wie in Jugoslawien und anschließend in Bulgarien. An der Grenze schon werden wir an wartenden Touristen vorbeigelotst. Auf den Brücken und an Kreuzungen stehen Uniformierte und winken uns weiter. “Nette Menschen”, sagt Ulli. Später kommt ihm der Gedanke, daß sie vielleicht den Wunsch hatten, uns möglichst schnell wieder außerhalb der Landesgrenzen zu wissen, aber dieser Gedanke kommt ihm erst in der Türkei.
In einem kleinen Gasthaus haben wir Achmed Ürznünü kennengelernt. Ürznünü ist Fuhrunternehmer und daran ist ein Herr Brandl aus Essen schuld. Der nämlich, sagt Achmed Ürzünü, pflegte seinen Gastarbeitern stets zu sagen, der Lastwagen sei die Krone der Verkehrsmittel und deshalb kaufte sich Achmed nach seiner Gastarbeiterzeit einen LKW und machte sich selbständig. Sonntags fährt er im LKW die Familie spazieren und gedenkt voller Dankbarkeit seines ehemaligen Arbeitgebers: “Denn die Familie ist groß, acht Köpfe groß, nein, neun, – mit Oma.”
In Istanbul wird die Übernachtung im Studentenheim fast zur Qual, und dabei hat die Polizeipräfektur alles getan, uns ruhig schlafen zu lassen. Draußen, auf dem riesigen Parkplatz, werden die Wagen von Scheinwerfern angestrahlt, und bewaffnete Polizeibeamte patroullieren um die “Entlein” herum. Es ist noch nichtmal eine Woche vergangen. Wir haben auf einer Fähre für 3,80 Mark den Bosporus überquert. In der Mitte der Meerenge, so sagt der Kapitän, liege die Grenze zwischen Europa und Asien. Dann, nach 15 Minuten, landen wir in Harem, und alles ist anders als bisher.
“Es stinkt, viele Lastwagen auf der Straße, Grundfarbe der Landschaft ist braun, dazwischen etwas grün, hügelig, vereinzelte Baumgruppen links und rechts der Straße, ein paar kleinere Fabrikhallen abseits des Weges.” notiert Ulli in das Fahrtenbuch. Es fällt ihm schwer zu schreiben, denn hinter jeder Kurve fast döst eine Kuh auf der Straße, kommen einem Zigen entgegen, feiern Hunde Hochzeit. Es ist nicht immer einfach, dem Getier auszuweichen und zuweilen auch den Steinen, die Kinder in der östlichen Türkei vom Straßenrand aus nach dem Auto werfen. Nicht unbedingt aus Bösartigkeit, sondern weil es so schön scheppert, wenn der Stein trifft. Wir beschließen, wenigstens auch die Frontscheibe durch ein Gitter zu schützen, schon wegen der Lastwagen, die einem beim Überholen Steine gegen den
Wagen schleudern.
Ulli wundert sich, daß es am Schwarzen Meer regnet. Wir konnten bisher stets mit offenem Dach fahren. Am Berg Arrarat, dem Wahrzeichen der Türkei (angeblich strandete hier die Arche Noah), drängen sich ein paar Kinder um den Wagen. Sie biten sich an, mit uns auf den Berg zu führen, gegen einen Kugelschreiber oder einen Kaugummi. Für mindestens zehn Kugelschreiber oder 20 deutsche Zigaretten ist ein angeblich echter Holzsplitter der Arche käuflich. Die Geschäfte gehen gut, besonders mit Euopäern.
Wir haben inzwischen dreimal in einem Hotel übernachtet, meist aber im Wagen oder irgendeinem Straßengraben. Das Wasser wird knapp, aber dafür gibt es Tee. Überall und zu jeder Zeit. Brühend heiß, in winzigen Gläsern. Jean-Claude und Alain, zwei Franzosen, die, wie wir, in einem 2CV an der Fahrt teilnehmen, sind zu wahren Spezialisten in Tee geworden. Sie haben herausgefunden, daß man nachts selbst im kleinsten Dorf nur auf ein beleuchtetes Haus zugehen muss und sofort für ein paar Rial Tee bekommt. Von nun an gibt es Tee zum Früstück, Abendessen und zum Dämmerschoppen.
Es gibt ihn auch im Iran. Dort trinkt man ihn aus Untertassen mit hohem Rand. Wir lernen ihn schon kurz hinter der Grenze kennen, wo die Polizei Ruhe und Ordnung demonstriert. Das dauert eine ganze Nacht.
Irgendeiner, die Beamten wissen selbst nicht genau wer, hat den Befehl gegeben, daß sämtliche Teilnehmer an der Fahrt gemeinsam bis Teheran eskortiert werden. Es muß ein hoher Beamter gewesen sein, denn die Beamten versteifen sich darauf, die Order zu erfüllen. Erst wenn mindestens 400 Fahrzeuge eingetroffen seien, sagen sie, könne es losgehen. Dazu fehlen jedoch genau 388 Autos, und das ist für drei Teams Grund genug, einen Blitzstart zu wagen, um der Polizei zu entkommen. Doch deren Autos sind schneller, und nach 500 Metern schon werden die 3 Ausreißer abgefangen und zur Umkehr gezwungen. Man verlegt sich aufs Feilschen. “Also gut, 250 Autos”, sagt die Polizei. Später: “100 Autos und keines weniger”. Noch etwas später: “In Ordnung, 15 Autos”. Mehr sind auch gar nicht da, und so setzt sich ein Polizeioberst an die Spitze der kargen Kolonne, sagt, dies alles sei “for your own safety”, schaltet die Sirene ein und fährt in durchaus mäßigem Tempo 900 km weit bis Teheran. Keiner darf ihn überholen, dafür übersieht er freundlich, daß man sich hinter ihm aus den fahrenden Autos Dosenbier von Fenster zu Fenster reicht.
Wir fahren im Schnitt täglich 14 Stunden. Jetzt schmerzen unsere Arme. Nicht vom Fahren, sondern vom Winken. Menschen stehen am Straßenrand und applaudieren, Polizisten grüßen, Soldaten salutieren, Kinder laufen dem Wagen nach. Die lokalen Zeitungen berichten täglich über die Fahrt, wir fotografieren, werden fotografiert, lachen, werden angelacht und fluchen nur noch verhalten über die Straßen. Denn die sind schlecht, wie erstarrte Wellpappe. 400 Kilometer lang ist lediglich eine mittlere Geschwindigkeit von 30 km/h möglich. Es sind 44 Grad im Schatten.
Ein Traum dagegen, auf der asiatischen Autobahn in Afghanistan zu fahren. 500 Kilometer lang betoniert, weitere 500 Kilometer asphaltiert, links und rechts Nomadenzelte, Kamele, manchmal kommt ein Bus entgegen, mit Ornamenten bunt bemalt und laut hupend, damit ihn keiner mit einer Fata Morgana verwechselt. Vor Herat legen wir eine kurze Pause ein, um einen Schluck aus dem Wasserkanister zu trinken. Ein 2CV überholt uns, stoppt ein paar Meter weiter vorne, rollt zurück, und die beiden Fahrer fragen, wie sie helfen könnten. Sie brauchen nicht zu helfen, aber es ist beruhigend zu wissen, daß es trotz Konkurrenz keine Konkurrenz gibt.
Am 14. August, 16.30 h Ortszeit fahren wir in Kabul ein, zwei Tage zu früh, wir haben Zeit, uns umzusehen. Es gibt hier Straßen, die für die nächsten fünfzig Jahre gebaut sind, sagt ein Polizist. Später, im Bazar, erfahren wir von einem Studenten, daß es auch viele Slums gibt und 95 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind. Und vor allem gibt es Nähmaschinen. Man hört sie nachts aus jedem zweiten Haus surren, begleitet vom Singsang der Transistorradios. Es wird hauptsächlich Leder verarbeitet, zu Taschen, Mänteln, Jacken. Was fertig ist, wird direkt vor der Tür verkauft. Manchmal gibt es noch Haschisch als Dreingabe dazu.
Nach drei Tagen geht es zurück nach Paris. Wir erreichen es so, wie wir es vor vier Wochen verlassen haben: Mit vier ungebrauchten Reservereifen, einem 2CV mit vergitterten Scheinwerfern, ohne Pornographie und mit dem Wunsch, die Fahrt nochmals zu machen: In Ruhe.
Lutz-Alexander Hildebrand
´71 nach Persepolis
Citroën veranstaltet die zweite Enten-Rallye vom 31. Juli bis 30. August 1971. Ziel ist diesmal Persepolis im südlichen Iran. Streckenlänge: 13.000 Kilometer. Die Teilnehmer werden mehr als 1970 Gelegenheit haben, sich in der Türkei und im Iran umzusehen; denn die Pflichtruhetage an den schönsten Punkten der Rallye wurden wesentlich erhöht. Und das sind die reizvollsten Stationen dieser Fahrt der Entdeckungen: Istanbul, Göremetal, Teheran, Isfahan, Shiraz, die Königsruinen von Persepolis und auf dem Rückweg das Schwarze Meer. Die genauen Bedingungen werden rechtzeitig bekanntgegeben. Auskünfte erteilen die Citroën Automobil AG in Porz-Westhoven und alle Citroën-Händler.
Achtung Rallye
Das deutsche Aufgebot für die Rallye nach Persepolis im August besteht aus 25 Wagen. Citroën ermittelt per Ausscheidung am 5./6. Juni aus zahlreichen Teilnehmern der 25 Besten, die somit eine Art Nationalmannschaft darstellen. Start und Ziel sind in Porz-Westhoven, Nikolausstraße. Die große Überraschung: Die Anmeldefrist ist noch nicht abgelaufen. Und: Es kann auch jeder teilnehmen der nicht die Zeit hat, einen Monat bis nach Persepolis und zurück zu fahren. Wer also zwischen 18 und 30 Jahre alt ist, kann mit einem 2CV oder Dyane an der deutschen Ausscheidung teilnehmen. Die Fahrzeuge können mit 2 bis 4 Personen besetzt sein. Das Nenngeld beträgt DM 25,– pro Wagen, zahlbar am Start. Die Fahrzeugabnahme findet am 5. Jni von 14 – 16 Uhr statt, Start um 17 Uhr.
Die Zuverlässigkeitsfahrt über ca. 600 Kilometer besteht aus vier Etappen, die nicht auf Zeit gefahren werden müssen. Verlangt wird lediglich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h. Sonntagfrüh, 6. Juni, sind zwei leichte Geländekurse zu absolvieren, die auf Zeit gefahren werden müssen, und zwar in den Klassen 12-15 PS, 15 – 20 PS, 20 – 25 PS, 25 – 30 PS und 30 – 35 PS. Zum dritten findet eine technische Geschicklichkeitsprüfung statt. Es muss ein Radwechsel auf Zeit gemacht werden, sowie ein liegengebliebenes Fahrzeug abgeschleppt und ein weiteres inganggesetzt werden.
Die ersten 60 Mannschaften der deutschen Ausscheidung müssen bis zum 11.6. einen Erlebnisbericht sowie 4 Fotos oder Dias einsenden. Das gilt aber nur für solche Teilnehmer, die auch die Rallye nach Persepolis mitfahren wollen. Aus diesen 60 Teilnehmern werden dann von einer Jury 30 Kandidaten ausgewählt; und zwar 25 primär Teilnahmeberechtigte und 5 Teilnehmer auf Wartelistenbasis.
Endgültige Regelung der Anmeldung: Schriftlich bis zum 1. Juni 1971
Aus Töff, Ausgabe 8, März/April 1971/
Töff Special 9a/Juni 1971/Archiv garage2cv.de/Jan Eggermann
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