1926 – 2017 Robert Delpire: Adieu Bob !

Mit seinen innovativen und künstlerisch sehr anspruchsvollen Ideen poliert Robert Delpire die Citroën-Werbung seit Anfang der Sechziger auf Hochglanz. Seine ungewöhnlichen Werke passen gut zu den avantgardistischen Citroën-Automobilen.
Am 26. September 2017 verstarb Robert Delpire in Paris.

 
Von Jan Eggermann für garage2cv.de / Bilder: Citroën/Archiv Garage 2CV 2017
 
In vielen Nachrufen auf den passionierten Fotografieliebhaber wird sein jahrzehntelanges unermüdliches Schaffen rund um das Bild gewürdigt, als Herausgeber von anspruchsvollen Zeitschriften und Publikationen, als Fotograf oder als Gründungsmitglied der weltbekannten Agentur Magnum. Der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt ist sein Engagement für den Automobilhersteller Citroën. Rund 15 Jahre begleitet Bob – so nennen ihn seine Freunde – mit seiner 1958 gegründeten Werbeagentur Delpire Publicité Citroën (und Panhard). Während dieser Zeit wirbt Delpire immer wieder mit höchstem künstlerischen Anspruch für den Doppelwinkel. Mal mit ungewöhnlicher Grafik, mal mit anspruchsvoller Fotografie, die von Henri Cartier-Bresson, Helmut Newton, René Burri oder André Martin in Szene gesetzt wird. Zu den avantgardistischen Citroëns passt der Delpire-Stil perfekt, übersetzt er doch den Esprit von 2CV, DS oder Ami 6 perfekt in gedruckte Werke. Kein Vergleich zum Mittelmaß im Werbeauftritt der Marke, das mit André Citroëns Ausscheiden und Übernahme durch Michelin 1935 begonnen hatte.
 

Robert Delpire in den Sechziger Jahren. Bild: Séguéla, 80 ans de Publicité Citroën

Das Robert Delpire zum herausragenden Citroën-Propagandist wird, geht auf sein Engagement rund um die Fotografie zurück. Er ist Gründungsmitglied der Agentur Magnum und seit Ende der 1940er-Jahre Herausgeber des Fotomagazins Neuf. 1953 beginnt er im eigenen Verlag fotografische Werke von Brassaï, Lartigue und Henri Cartier-Bresson zu publizieren. Mit letzterem plant er Anfang 1960 eine poetische und plastische Reportagereise durch die großen französischen Industriebetriebe. Das Projekt läuft unter dem Titel Le Grand Œuvre (frz. Das große Werk). Delpire wird bei Citroën-Werbechef Claude Puech vorstellig. Der kann aber keine Entscheidung treffen und verweist den hartnäckigen Bob gleich an Firmenchef Pierre Bercot. “Dem großen Chef eilte der Ruf eines schwer zugänglichen Mannes voraus, ich war deshalb angespannt,” erinnert sich Delpire später. “Aus einem mir heute völlig unbegreiflichen Grund heraus begann ich mit ihm über die Suiten von Bach zu sprechen … Bercot war ein ausgesprochen kompetenter Musikliebhaber. Und der Rest unserer Unterhaltung drehte sich um Musik, was ihm sehr gefiel. Am Ende hatte Henri (Cartier-Bresson) seine Erlaubnis; einen Passierschein mit Fotogenehmigung für das Citroënwerk in Aubervilliers (gemeint ist vermutlich das ehemalige Werk in Clichy), mit dem Kommentar Ausnahmsweise!, persönlich unterschrieben von Bercot.”
 
Claude Puech ist sich der Defizite im Bereich Marketing durchaus bewusst und erkennt schnell das kreative Potential Delpires. Er erteilt ihm einen ersten, sehr umfassenden Arbeitsauftrag: “Das was Sie machen interessiert mich. Der 2CV ist einzigartig, die DS avantgardistisch, ihre Werbung sollte sich auf gleichem Niveau befinden. Sie haben freie Hand!” Fortan ist die Citroën-Werbung gleichbedeutend mit Delpire Publicité, interessanterweise schließen beide Unternehmen nie schriftliche Vereinbarungen, sondern arbeiten “von Fall zu Fall”.
 
Erstes Ergebnis der Zusammenarbeit ist der legendäre Le Double Chevron, eine seit 1960 erscheinende werksinterne Monatszeitschrift mit Berichten über Modelle, sportliche Erfolge der Marke und ähnliche Ereignisse. Le Double Chevron hat ausgesprochenen Magazincharakter und in jeder frühen Ausgabe der Zeitschrift sind Reportagen über kontemporäre Großprojekte der französischen Industrie zu finden, was ein wenig an Le Grand Œuvre erinnert. Die Fotografien stammen oft von Henri Cartier-Bresson, René Burri, Marc Ribaud, René de Seynes, André Martin und seiner Frau Sarah Moon.
 

 1961 erscheint der erste Delpire-Prospekt für Citroën, der ganz im Sinne von Firmengründer und Werbegenie André Citroën gewesen sein dürfte, denn 2CV la liberté setzt mit einer Zwei-Millionenauflage quantitative Maßstäbe, erstmals wird ein Citroën-Prospekt in viele Sprachen übersetzt und praktisch europaweit verbreitet. Inhaltlich zeigt er perfekt arrangierte Studioaufnahmen, die mit Witz und Liebe zum Detail die Verwendungsmöglichkeiten der Ente und ihre Nutzer zeigen. Die typografisch außergewöhnlich arrangierten Texte stammen von Jacques Wolgensinger, einem Journalisten, der seit 1957 für Citroën arbeitet. Er wird später zur weit verbreiteten Einschätzung gelangen, der 2CV sei kein Automobil, sondern eine Weltanschauung.
 

 
Ein weiteres Beispiel für das Zusammenspiel zwischen ästhetischem und sprachlichem Ausdruck – also zwischen Delpire und Wolgensinger – sind aufklappbare Prospekte zu 2CV und Kastenente in Bierdeckelgröße die ab 1965 erscheinen. Abgesehen von Titel und Rücktitel wird kein einziges Foto verwendet. Doch die exakt in 2CV-Form konturrierten Leporellos gehören europaweit zu den bekanntesten 2CV-Werbungen überhaupt. Ganz im Gegensatz dazu setzt ein 1966 erscheinender 2CV-Prospekt auf die Ausdrucksstärke wunderbarer Farbfotografien. Sie zeigen im Stil eines teilweise handschriftlich abgefassten Tagebuches romantische Eindrücke einer Reise zweier Verliebter durch Tunesien.
 

 1976 verabschiedet sich Robert Delpire von seiner Werbeagentur und widmet sich fortan und bis an sein Lebensende nur noch der Fotografie. In Werbeagent Jacques Séguéla – dem 2CV-Weltreisenden von 1954 und späteren Delpire-Mitarbeiter – findet Bob einen würdigen Käufer für seine Agentur Delpire Publicité. Séguéla entwickelt seine Agentur zusammen Partnern (Bernard Roux, Alain Cayzac und Jean-Michel Goudard) zur bekannten EURO RSCG, die weiterhin für Citroën (später auch PSA) Werbung macht. 1996 wird EURO RSCG Teil der Havas Gruppe, heute die größte Werbeagentur Frankreichs und Nummer 6 weltweit. Robert Delpire ist am 26. September 2017 im Alter von 91 Jahren in Paris verstorben.
 

Wer sich noch weitergehend mit Robert Delpire und seinen Arbeiten für die ewig junge Citroën Werbung beschäftigen möchte, sollte sich unbedingt das schon 1999 erschienene und aus Sicht eines Insiders geschriebene Buch 80 ans de publicité Citroën et toujours 20 ans von Jacques Séguéla beschaffen.
Erhältlich bei http://www.buchundmotor.de.
 
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