75 Jahre Citroën 2CV: Herzlichen Glückwunsch

 
Neue 2CV Rohkarosse bei Warny
 
75 Jahre Citroën 2CV: Herzlichen Glückwunsch
 
Text: Willi Mertens, adaptiert von Jan Eggermann, Bilder: Citroën
 
Der Citroën 2CV ist 75 Jahre alt! Zum Fünfundsiebzigsten gratulieren wir der Ente mit einem historischen Text von 1968, geschrieben von Willi Mertens für die Kölner Werkszeitschrift Citroën Journal.
 
2CV: Gehört zum Frankreich-Image wie Eiffelturm und TGV
Seine Erfolgsstory ist mit der des Volkswagens oder des Ford T-Modells vergleichbar. Überall in der Welt wird er mit Spitznamen belegt. Citronetta, Straßen-Clown, kluger Frosch und hässliche Ente sind nur einige davon. Aber er bleibt doch immer, was er in Frankreich ist: der Deux chevaux – ein gänzlich unprätentiöser Name, der nichts erfinden oder verschönern will. Der 2CV verdient diesen Namen. Im Gegensatz zu allen anderen Autos wird der 2CV nicht definiert durch das, was er ist (schnell, luxuriös oder hübsch), sondern durch das, was er nicht ist: teuer, durstig, kompliziert, anfällig oder prätentiös. Von vornherein weiß sein Käufer, dass er etwas völlig anderes kauft, als man gemeinhin von einem Auto vermutet. Der 2CV bleibt resolut abseits von den üblichen Kategorien des Mensch-Auto-Verhältnisses. In 75 Jahren hat keinerlei Modediktat ihn ändern können. Selbst seine Scheinwerfer stehen noch wie eh und je unverkleidet in der Blechlandschaft. Der 2CV braucht darauf nicht stolz zu sein, aber er braucht auch nicht beschämt zu sein. Exakt so wird er genommen: weniger und auch wieder mehr als ein Wagen, eine Lebensart, eine besondere Konzeption des Daseins, eine Fahr-Philosophie. Aber bestimmt kein Status-Symbol.
 

 
Heute gehört er noch immer zu Frankreichs Image wie der Eiffelturm, der TGV, wie Camembert oder Christian Dior. Natürlich ist sein Erfolg von Frankreichs Grenzen nicht aufgehalten worden. Mehr als 5 Millionen Menschen in aller Welt haben einen 2CV gekauft – die meisten von ihnen zweifellos als Transportmittel für den Alltag, aber auch nicht wenige als ein Instrument, um die Freiheit und die Freude am Leben zu entdecken.
 
Vier Räder unter einem Regenschirm
Die Geschichte des 2CV beginnt 1936, dem Jahr der Grundkonstruktion. Das Ziel hieß, für Frankreich ein „Minimum-Auto“ zu entwickeln. Als Aufgabenstellung definierte Pierre Boulanger, damals Generaldirektor von Citroën, „vier Räder unter einem Regenschirm“. Ein wirtschaftliches, sicheres Fahrzeug, das 4 Personen und 50 kg Gepäck mit 50 km/h und einem Maximum an Komfort befördern kann. Von der Radaufhängung verlangte er, dass in einem Korb mit Eiern nicht ein einziges zerbrochen sein darf, wenn der Korb über ein frisch gepflügtes Feld gefahren wird. Die geforderte Geräumigkeit unterwarf er einem persönlichen Test: Er bestieg die immer im Maßstab 1:1 angefertigten Modelle mit dem Hut auf dem Kopf, und wenn der herunterfiel, war auch der Prototyp gestorben. Drei Jahre später, im Mai 1939, waren in den Werken von Levallois die ersten 250 Vorserienmodelle fertiggestellt. Erstmals auf dem Pariser Autosalon 1939 sollte das neue Modell der Öffentlichkeit präsentiert werden. Aber der Salon fand nie statt; dafür brach Krieg in Europa aus. Sämtliche 250 Exemplare wurden vermutlich zerstört – bis auf ein paar wenige Exemplare, unter ihnen das auf diesen Seiten zu sehende Exemplar. Der 1939er 2CV (oder eigentlich das 38er Modell, denn das war das Jahr, in dem die ersten Muster gebaut wurden) besaß eine Leichtmetallkarosserie aus Duralinox, nur die Kotflügel bestanden aus Stahl-blech. Schon glich die Silhouette der bis 1990 gebauten. Sonstige Merkmale: Textil-Rolldach, das sich von der Frontscheibe bis zum hinteren Nummernschild öffnen, und vier bogenförmige Türen, die sich nur von innen öffnen ließen. Vorderfenster mit Klappen, die ausstellbar sind. Vorderhauben in gepresstem Wellenlinienblech, auf deren linker Seite ein einzelner verlorener Scheinwerfer saß. Keine Winker: Der untere Teil der Seitenfenster war ausstellbar, damit man den Arm hinaus hängen konnte. Auch der Scheibenwischer wurde von Hand getätigt.
 

 
Bindfaden oder Handkurbel?
Man sieht: Der Akzent lag auf größtmöglicher Wirtschaftlichkeit. Man hatte ebenso ausgefallene wie ingeniöse Lösungen studiert. Eine Zeitlang hatte man sogar mit dem Gedanken einer gänzlich aus Stoff gefertigten Karosserie auf einem Aluminum-Rahmen gespielt. Der wassergekühlte Zweizylinder-Boxermotor von 375 ccm besaß keinen elektrischen Starter; eine Andrehkurbel hatte diese Aufgabe zu erfüllen, die fest vorn an der Wagenfront montiert war. Man hatte auch Seilzugstarter, ähnlich, wie sie an Rasenmähern verwendet werden, versucht, doch sie wurden aufgegeben, nachdem einige Sekretärinnen der Versuchsabteilung sich die Fingernägel bei Startmanövern abgebrochen hatten. Die Ingenieure sahen ein, dass das System für Frauenhände wohl doch zu unfreundlich ist. Die Zündung war normal, eine kleine Lichtmaschine saß direkt auf dem Ende der Kurbelwelle und ersparte den Riemenantrieb. Natürlich war das Dreiganggetriebe unsynchronisert. Die Vorderräder wurden durch eine hydraulisch betätigte Fußbremse, die Hinterräder durch eine mechanische Handbremse gebremst. Der Radaufhängung hatte man ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Das Leichtmetallchassis war mit den Rädern durch unabhängig voneinander wirkende Schwingarme aus Magnesium verbunden, die auf je 4 Torsionsstäbe auf jeder Seite wirkten. Stoßdämpfer waren nicht vorgesehen. Im heutigen Zustand läuft das Vorserienmodell des 2CV von 1938 mit vier Personen an Bord und 50 kg Gepäck 49 km/h und braucht dabei 4,2 Liter pro 100 km. Während des Krieges wurde in der Hoffnung auf bessere Tage die Konstruktion in aller Heimlichkeit weiter betrieben. Der 2CV erhielt den Schliff vor seiner Präsentation. Man bewilligte einen zweiten Scheinwerfer, einen elektrischen Starter, einen luftgekühlten Motor und die bekannten Trägheitsdämpfer (das Geheimnis seiner völligen Gleichgültigkeit für die schlechtesten Straßen), sie waren bereits 1939 geplant. Schließlich kam dann 1948 der funktionelle Kleinwagen, an dem Citroën 12 Jahre gearbeitet hatte, doch noch heraus. Am 6. Oktober enthüllte Pierre Boulanger feierlich den verdeckten 2CV vor dem Präsidenten der Französischen Republik, Vincent Auriol. Innerhalb der 10 Tage des Salons bestaunten ihn mehr als eine Million Besucher im Grand Palais, überrascht, perplex, teilweise im Zustand eines psychischen Traumas. Sarkastisch mokierte sich die Presse über das primitive kleine Vehikel, fragte, ob ein Büchsenöffner mitgeliefert werde, und nannte es eine Badewanne aus dem 19. Jahrhundert. Damals schrieb „Das Auto“, Vorgänger von „auto, motor und sport“: Die Sensation des 35. Autosalons ist zweifellos der 2CV Citroën, das Auto des kleinen Mannes, das zugleich den Rekord der Billigkeit und der Einfachheit schlagen will, dabei aber naturgemäß die Grenze des Spartanischen erreicht.
 
Der 2CV, eine wirkliche Sensation
Die Öffentlichkeit merkte bald, dass dies Auto wirklich eine Sensation war. An den Tankstellen hörte man die Leute reden: „Er läuft bergauf wie eine Bergziege.“ Ein anderer meinte: „Was für ein unglaublicher Komfort!“ Und alle waren sich darüber einig, dass der Durst des 2CV der eines kleinen Vogels sei. Und er machte keine Probleme. Der Erfolg stellte sich rasch ein. 1950 betrug die Lieferfrist für den 2CV sechs Jahre, und dabei wurden 1.000 Stück am Tag gefertigt. Der Erfolg blieb. 10 Jahre lang wurde der 2CV in Frankreich nur in grau geliefert, bis sich Citroën 1959 auch dort wie in der Schweiz und Benelux einen Ruck gab, die Ente auch bunt, vorerst aber nur in blau, zu verkaufen. 1961 erhielt sie 13,5 und 1963 18 SAE-PS, und die Geschwindigkeit stieg auf 95 km/h, später waren es dann 28 PS bei einer Spitze von 110 km/h. Nun ist der 2CV fünfundsiebzig Jahre alt. Äußerlich und innerlich, aber nie in seiner Grundkonzeption verändert, folgt er immer noch den kategorischen Imperativen seiner Auslegung vor nunmehr 87 Jahren: Komfort Annehmlichkeit, Wirtschaftlichkeit.
 
Dieser Artikel erschien erstmals zum zwanzigsten Geburtstag* der Ente 1968 im Kölner Citroën Journal, geschrieben von Chefredakteur Willi Mertens. Das war 1968. Wir meinen, dass der leicht angepasste Text die beste Laudatio auf unsere ewig junge Ente ist. Herzlichen Glückwunsch zum 75ten!
 
* Als offizieller Geburtstag der Ente gilt der erste Präsentationstag des Citroën 2CV auf dem Pariser Automobilsalon im Grand Palais am 7. Oktober 1948.
 
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