60 Jahre Citroën 2CV: 1937 entsteht das ganz kleine Auto
1937 stehen die Vorgaben für Boulangers ganz kleines Auto: 50 km/h Höchstgeschwindigkeit bei geringem Verbrauch, einfache Wartung, komfortabler Transport von vier Erwachsenen. Nach wie vor hat man die französische Landbevölkerung im Auge und so findet auch die später oft kolportierte Maßgabe vom unbeschadeten Transport roher Eier über schlechteste Wegstrecken Aufnahme ins Lastenheft.
Bis Anfang 1939 hat das Toute petite voiture konkrete Formen angenommen, auf der Ende November 1937 eröffneten Teststrecke La Ferté-Vidame rollen erste Prototypen. Auch wenn das äußerlich primitiv wirkende Fahrzeug kaum dem damaligen Bild der Marke Citroën entspricht: Die Vorgaben des Lastenheftes sind mit meist raffinierten Ideen bis ins kleinste Detail umgesetzt worden.
So sorgt die Aluminiumkarosse für geringes Gewicht und damit einen geringen Verbrauch, verfügt aber durch die ungewöhnliche Wellblechstruktur trotzdem über die notwendige Stabilität. Weitere Lösungen, wie etwa das Federungssystem mit einzeln aufgehängten Rädern oder die schlichten Sitze aus einfachem Tuch, sorgen für den nötigen Fahrkomfort.
Die Entscheidung zur Serienfertigung fällt im Sommer 1939. Zunächst ist noch nicht an eine Produktion in größeren Stückzahlen gedacht, vielmehr sollen mittels einer ersten Serie von 250 Fahrzeugen die Produktionsmöglichkeiten des Werkes Levallois ausgelotet werden. Trotzdem beantragen die Citroën-Werke bereits eine Straßenzulassung für das erste Baumuster, die am 28. August 1939 auch offiziell erteilt wird.
Eigentlich ist auch eine öffentliche Vorstellung auf dem Pariser Automobilsalon 1939 geplant. Doch dazu kommt es nicht mehr: Seit dem 3. September befindet sich Frankreich im Kriegszustand mit Deutschland, an eine Produktion des 2CV ist vorerst nicht mehr zu denken.
Die bereits produzierten Fahrzeuge der Vorserie stehen einige Zeit auf dem Werksgelände in Levallois, bis Boulanger Anweisung gibt, alle zu verschrotten. Nur eine Handvoll von Fahrzeugen überlebt, “zu Testzwecken” wie es firmenintern heißt, wohl um Boulanger zu beschwichtigen. In den Sechziger Jahren läßt Citroën ein verbliebenes Exemplar restaurieren, ein weiteres dient Micheln als Testfahrzeug und steht heute in einem Museum in der Nähe von Lyon. Erst 1994 “entdeckt” man drei weitere Vorserienfahrzeuge auf dem Dachboden eines Gehöftes auf dem Citroën-Testgelände. Um sie vor der sicheren Verschrottung zu bewahren hatte man sie dort mehr oder weniger versteckt. Ob das ein oder andere Toute petite voiture sogar noch während des Krieges am Pariser Straßenverkehr teilnahm wie es Gerüchte bis heute kolportieren kann nicht nachgewiesen werden.
Nachdem deutsche Truppen im Juni 1940 auch Paris besetzen (sie bleiben bis August 1944) überarbeitet man das ursprüngliche Konzept noch einmal gründlich. Wohl auch deshalb ist der 2CV später eines der technisch ausgereiftesten Fahrzeuge überhaupt: Ein echter französischer Volkswagen.
Von Jan Eggermann
Dieser Text gehört zur Serie “60 Jahre 2CV” aus dem Magazin Der Entenschnabel und ist in Auszügen dem 2005 erschienenen Buch Citroën 2CV – Die Ente in Deutschland entnommen. Erhältlich ist das Buch unter der ISBN 978-3980908221 oder bei BUCH & MOTOR, der Buchhandlung von Garage 2CV.
01.07.2008
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