2CV-Spielfilm: Aus dem Innern des MOTORS
Robert Linharts autobiografischer Roman „Eingespannt“ über seine Zeit in der Entenproduktion lief in französischen Kinos. Eigens dafür ließ man das Entenwerk am Quai d‘Ivry wieder aufleben, bei Michelin in Clermont-Ferrand!
Text: Jan Eggermann, Bilder: Garage 2CV / Le Pacte
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verfilmung von Robert Linharts Roman „Eingespannt“ aus den späten Sechzigern 2CV-Liebhabern den romantischen Blick auf ihre Ente gründlich eintrüben kann. Sie wurde millionenfach von eher antiautoriär Denkenden genutzt, hergestellt jedoch unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Für Linhart muss der freiwillge Eintritt in die Pariser Citroën-Arbeitswelt des Jahres 1968 wie ein Wechsel in eine andere Welt gewesen sein: Gestern der philosophierende Studierende an der renommierten „ULM“, der „École normale supérieure“ in der Rue d‘Ulm im 5. Arrondissement, heute eingespannt in die Citroën-Produktion am Boulevard Massena im 13. Arrondissement. Dort ist er eine Nummer unter vielen, die in den dunklen Panhard-Fabrikhallen 2CV im Akkord zusammenbauen. Bis er sich an den ewig gleichen, monotonen Rythmus des Fließbandes gewöhnt, dauert es. Er scheitert am Verzinnen der Entenkarossen und abends hat er blutige Finger, weil ihm das Durchstoßen der Sitzunterzüge aus Jute mit dutzenden Metallhaken einfach nicht von der Hand gehen will. Man ist an Fritz Lang erinnert: Oben die schöne Metropolis und unten der Moloch, der sie am Leben hält.
Linhart hat sich anstellen lassen, um Arbeiter aus aller Herren Länder von der Revolution zu überzeugen, die man im Mai 68 vermeintlich praktiziert hatte. Doch die „Proletarier“ interessieren sich wenig für die „proletarische Weltrevolution“, umso mehr aber für das Entgelt, das am Monatsende auf der Lohntüte steht. Fast ein Jahr lang bleibt er im Werk und erlebt ein System, das ihn am Ende ins Panhard-Ersatzteillager strafversetzt. Als er aus seiner Linhartschen Unterwelt wieder ans Licht der Pariser Metropolis kommt, hat er politisch nichts erreicht, aber einen literarischen Tatsachenbericht geschrieben, der in deutscher Übersetzung als „Eingespannt – Erzählungen aus dem Inneren des Motors“ bei Wagenbach in Berlin erscheint: Selbst wenn man die ideologische Grundhaltung des Autors abzieht, bleibt doch noch so viel Anschaulichkeit und Realität, dass einen die 2CV-Produktion schaudern läßt. Es hat wohl auch ein wenig mit Linharts Buch zu tun, dass sich in industriellen Arbeitsprozessen in Europa seit 68 viel geändert hat.
Im Theater sah man Linharts Stück schon, jetzt ist „L‘etabli“ unter Regie des 1973 geborenen Mathias Gokalp von Karé Productions verfilmt worden. Die Rolle des Robert Linhart übernahm Swann Arlaud, der 2018 für seine Hauptrolle im Film „Petit Paysan“ einen César als bester Schauspieler erhalten hatte. Um das vom 8. März bis zum 16. April 2021 in Clermont-Ferrand gedrehte, 157 minütige Drama realitätsnah wirken zu lassen, galt es das 2CV-Fließband nachzustellen. Hierzu sichtete Kulissenbauer Jean-Marc Tran-Tan Ba viel Material, wie den Film „Humains, trop humains“ zur GS-Produktion von Louis Malle. Als Vorbild taugte der aber nicht, denn in Rennes arbeitete man ja schon ungleich moderner als in der alten Panhard-Klitsche im Pariser Süden. Man sichtete viele stillgelegte Fabriken in Frankreich und fand schließlich bei Michelin in Clermont-Ferrand ein geeignetes Filmset. Etliche von Sammlern gestellte 2CV wurden dort für den Dreh demontiert und auch schadlos wieder zusammengebaut, was viel diplomatisches Geschick im Vorfeld erforderte. Für den Nachschub an 2CV-Neuteilen sorgte Michael Warny aus St. Vith, über den in der André Citroën Zeitung 1/23 zu lesen war. Insgesamt arbeiteten an der filmischen Wiederauferstehung der 2CV-Fertigung 25 Tischler, Maler, Monteure und Requisiteure, denn „es musste realistisch sein und das mit einer Poesie, die es damals nicht gab,“ so Tran-Tan Ba gegenüber der Tageszeitung Ouest-France, und: „Am Anfang stürmt man los wie Ben-Hur, und wird schnell vom Budget gebremst. Dann muss man Lösungen und Tricks finden, denn es gibt ja kein schlüsselfertiges Bühnenbild.“
Mehr zum Roman “Eingespannt” von Robert Linhart hier.
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