Der Borgward Mythos – Dreiräder, Leukoplastbomber und ein unschönes Ende in Bremen

 
Wer erinnert sich nicht an die Zeit des Wirtschaftswunders, als die Kohlen per Goli-Dreirad ausgeliefert wurden, der Volkswagen des kleinen Mannes Lloyd hieß oder aber Namen wie Isabella oder Arabella in der damals noch kleinen Gemeinde der Autofahrer für Aufsehen sorgten So verschieden sie auch waren, alle diese Fahrzeuge entstammten der Ideenwelt des Bremer Carl F.W.Borgward, der in diesen Tagen einhundert Jahre alt geworden wäre.
 
In den zwanziger Jahren begann der Aufstieg des gelernten Maschinenbauers zum Chef eines 20.000 Mann Unternehmens. In einer kleinen Bremer Werkstatt fertigte er mit einer Handvoll Mitarbeitern den “Blitzkarren”, einen äußerst spartanischen, aber für seine Zeit durchaus zweckmäßigen Dreirad-Transporter. Mit ihm war ein bescheidener Gewinn zu erreichen, den Borgward einige Zeit später dazu verwendete die Aktienmehrheit der ebenfalls in Bremen ansässigen Hansa-Lloyd-Werke zu übernehmen. Nun stand seinem Jugendtraum, einmal Autos zu bauen, nichts mehr im Wege. Schon zu Beginn der dreißiger Jahre brachte Borgward die Kleinwagen Hansa 400 und 500 auf den Markt und traf so genau die Käuferwünsche jener Zeit. Auch die Produktion größerer Fahrzeuge wurde in Gang gesetzt, doch warf der zweite Weltkrieg seine Schatten schon deutlich voraus. Borgward mußte sich und seine Werke in den Dienst der Rüstung stellen.
 

Die Borgward-Marke Lloyd rangiert zeitweise auf Platz 3 der bundesdeutschen Zulassungsstatistik. Hier ein Westberliner LP 400 an der Ausreisekontrolle am Brandenborger Tor in Richtung Westen. Bild: Archiv garage2cv

Die Borgward-Marke Lloyd rangiert zeitweise auf Platz 3 der bundesdeutschen Zulassungsstatistik. Hier ein Westberliner LP 400 noch vor dem Mauerbau 1961 an der Ausreisekontrolle Brandenburger Tor in Richtung Westen. Bild: Archiv garage2cv

Nach 1945 lagen die Fabrikationshallen in Trümmern, nur langsam konnte der Wiederaufbau beginnen. Um so größer die Überraschung, als schon zu Beginn des Jahres 1949 die erste Neuschöpfung Borgwards vom Band rollte: Der Hansa 1500, den als erstes deutsches Auto die nach amerikanischem Vorbild gestaltete Pontonkarosserie zierte. Nach gleichem Muster, nur eine Nummer bescheidener folgte kurze Zeit der aus mit Kunstleder überzogenem Sperrholz bestehende “Leukoplastbomber” Lloyd LP 300. Auch das in seinen Grundzügen schon fast dreißig Jahre alte Dreirad wurde unter dem klangvollen Namen “Goliath” wiederbelebt. In einem zerstörten Deutschland eine willkommene Alternative zum Pferdefuhrwerk. Carl F.W. Borgward war mit seinen nun drei eigenständigen Werken Borgward, Goliath und Lloyd zu einem der größten deutschen Automobilhersteller geworden. Zielstrebig erweiterte Borgward in der Folgezeit die Produktionspalette, verbesserte die schon eingeführten Modelle. Das Jahr 1954 brachte dem Konstrukteur seinen unbestritten größten Erfolg: Die Isabella. Als Wagen der gehobenen Mittelklasse festigte sie die Position, die mit dem Hansa 1500 eingenommen worden war. In fast allen Ländern der Welt fand Isabella neue Besitzer.1959 konnte Borgward noch einmal für zwei Überraschungen sorgen: Im August wurde ein kleiner, äußerst schnittiger und temperamentvoller Viersitzer, die Arabella, vorgestellt. Im September folgte der repräsentative “Grosse Borgward”, der als erster deutscher Pkw mit einer Luftfederung in die Automobilgeschichte einging. Kaum jemand ahnte damals, daß die an dritter Stelle der Zulassungsstatistik stehenden Borgward-Werke kaum zwei Jahre später nicht mehr existieren würden.
 
Das Jahr 1960 brachte den Bremern eine erste Absatzkrise: Der Export nach Übersee, der in dem stark exportorientierten Unternehmen eine wichtige Einnahmequelle bildete, stagnierte. Unzählige von Fahrzeugen standen auf den Halden und warteten auf Abnehmer, doch die kamen nicht. Ende 1960 war die ohnehin dünne Kapitaldecke verbraucht, Borgward mute als Alleineigentümer einen 30 Millionen Kredit beim Land Bremen erbitten. Der wurde zwar gewährt, aber nicht vollständig ausbezahlt. Stattdessen trat man von Seiten des Senats an die Presse. Der durch Hunderttausende von leistungsfähigen Fahrzeugen erworbene Ruf der Borgward-Werke war vom einen auf den anderen Tag dahin.
 

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Am 31. Januar 1961 erfuhr Borgward aus der Tagesschau, daß seine Werke zahlungsunfähig seien. Noch Anfang Februar mußte Borgward sein Lebenswerk entschädigungslos an die Bremer Landesregierung abtreten. Eine Aktiengesellschaft wurde gegründet, doch diesem von Anfang an halbherzigen Versuch, die Borgward-Werke zu retten, war kein Erfolg beschieden. Im Sommer des gleichen Jahres wurde die letzte Isabella gefertigt, das Konkursverfahren eröffnet. Erst Jahre später wurde bekannt, daß Borgward überhaupt nicht pleite war. Jeder der vielen Gläubiger erhielt sein Geld bis auf den letzten Pfennig zurück. Carl F.W. Borgward konnte den Verlust und Niedergang seiner Werke nicht verkraften, er starb am 28. Juli 1963. Heute sind Carl F.W. Borgward und seine Autos zur Legende geworden. Eine Legende die nicht untergehen wird, denn mittlerweile gibt es weltweit wieder Tausende von Borgward-Freunden, die sich dem Erhalt der Fahrzeuge und somit dem Andenken an einen Pionier des deutschen Automobilbaus verschrieben haben.
 
Von Jan Eggermann, 1990
 
Dieser Bericht erschien erstmals am 10. November 1990 in den Lüdenscheider Nachrichten
 
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