Citroën BX: Das beste Baukastenauto der Welt

Konsequente Anwendung der Gleichteilestrategie macht den kantigen Hydropneumaten zum Erfolg
 
citroen_bx_das_baukastenauto_editiongarage2cv_teaser1986 erklärt Volkswagen-Chef Carl Horst Hahn den Citroën BX vor französischer Presse zum besten Auto der Welt. Das Lob vom Wolfsburger VW-Vorstand verwundert auf den ersten Blick, doch er weiß genau, dass PSA Peugeot Citroën (seit 1976 als Holding für Peugeot und Citroën) den BX per Einspeichenlenkrad konsequent in Richtung Plattform- und Baukastenstrategie lenkt und so eine Fertigungsphilosophie einführt, die den europäischen Autobau revolutioniert. In den Achtzigern ist PSA Vorreiter der Gleichteile, VW steht erst am Anfang.
 

Der BX ist internationaler konzeptioniert als alle bisherigen Citroën. Bild: Citroën / archiv garage2cv

Der BX wird internationaler als alle Citroën zuvor. Eine Strasbourger Niederlassung unterstreicht den Anspruch und beklebt ein Exemplar mit europäischen Flaggen … GS lässt grüßen. Bild: Citroën / archiv garage2cv


 Die Fusion von Citroën mit Peugeot im Januar 1976 ist so etwas wie der Urknall, aus dem der BX hervorgeht. Citroën steht am Abgrund, und nur der staatlich forcierte Zusammenschluß mit dem Familienunternehmen Peugeot kann den Doppelwinkel vor dem sicheren Aus bewahren. Die neue Konzernführung belässt es vorläufig beim bisherigen Modellprogramm, das im Wesentlichen aus drei teilweise veralteten Produktlinien besteht: Die A-Modelle 2CV/AMI 8/Mèhari, das GS-Programm, sowie dem 1975 erschienenen großen Citroën CX.
 
Erst mit dem 2CV-Ende 1990 ist das Citroën-Programm komplett auf Konzerntechnik umgestellt. Bild: Citroën / Archiv garage2cv.de

Erst mit dem Ende des 2CV (1990) ist das Programm ganz auf Konzerntechnik umgestellt. Bild: Citroën / Archiv garage2cv.de

Finanzielle Gründe lassen eine Überarbeitung der gesamten Citroën-Modellpalette zunächst nicht zu, außerdem werden noch unter alleiniger Citroën-Regie begonnene Fahrzeugprojekte zugunsten künftiger PSA-Entwicklungen endgültig gestoppt bzw. auf Eis gelegt. Dafür kommt bereits im Fusionsjahr mit dem Citroën LN ein erstes PSA-Fahrzeug. Manche denken schon an ein Ende der eigenständigen Marke Citroën, denn dieser Spatz von Paris ist nichts anderes als ein Peugeot 104 Z mit 2CV-Boxer unter und Citroën-Label auf der Haube. Individueller ist der 1978 kommende AMI 8-Nachfolger VISA dessen Karrosserieform vom geschassten Projekt VD inspiriert ist, der aber – abgesehen vom Antrieb (dreifach gelagerter Boxer mit rechnergesteuerter Zündung (!!!)) – ebenfalls schon weitgehend auf Peugeot-Organen basiert.
 
citroen bx 19 gt werbung citroen bx der vorsprungAm 31. Mai 1978 ist der eigentliche Geburtstag des Citroën BX. Unter dem Titel Programme XB – Note d’orientation kommt an jenem Tag firmenintern ein erstes Konzeptpapier in Umlauf. Es umreißt Fahrzeugmaße (nicht länger als 4,20 Meter), Gewicht (Maximum 900 kg in der Basisversion), geplante Motorisierungen (die Peugeot-Motoren XY 1.360 ccm bzw. XU und XUD 1.600 ccm), und legt auch Soll-Verbrauchszahlen (von 5 bis maximal 8,7 Liter je Version) sowie einen ungefähren künftigen Kaufpreis (Basisversion 14.000 FF) fest. Die Karosse soll ausschließlich als Fünftürer entwickelt werden, wobei sich das Außendesign bei möglichst niedriger Gürtellinie am Markenimage von Citroën orientieren wird. Der künftige BX muss unter weitgehender Verwendung von Standardteilen entwickelt werden, lediglich die Citroën-spezifische Hydropneumatik wird als technisches Alleinstellungsmerkmal zugelassen. Weitere Vorgabe: Mit Blick auf Exportmöglichkeiten soll der Wagen internationaler als seine Vorgänger werden. Ein ambitioniertes Projekt !
 
Erstmals in der Unternehmensgeschichte wird der BX nicht von hauseigenen Designern entworfen, denn Robert Opron (AMI 8, GS, SM, CX) hat Citroën in Richtung Matra verlassen, und ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht. Um nichts dem Zufall zu überlassen, zieht Citroën 1979 externe Styling-Hilfe von Bertone aus Turin hinzu.
Bertone-Chefdesigner Marcello Gandini kann das Design des BX dabei an einem sehr aktuellen Entwurf orientieren, der quasi bereits in der Schublade liegt (von Volvo bei Bertone in Auftrag gegeben, dann aber nicht realisiert). Ergänzt um die Citroën-Anforderungen ist die Grundaussage der Linie schnell gefunden. Das Innendesign stammt ebenfalls von Gandini, inklusive der letztmalig verwendeten Bedienungssatelliten. Von der Konzernleitung wird die kantige Linie des Entwurfes sehr schnell akzeptiert, bereits im Oktober 1979 ist es endgültig festgelegt. Parallel dazu wird die künftige Technik bereits in GS-look-a-likes ausgiebig getestet, Anfang 1980 folgen erste Prototypen mit BX-Silhouette.
 

Das beste Auto der Welt ist selten geworden: Von den 141.228 offiziell importierten Fahrzeugen waren am 1. Januar 2011 nur noch 1.884 Stück in Deutschland zugelassen. Bild: Citroën / Archiv garage2cv

Das beste Auto der Welt ist selten geworden. Von 141.228 offiziell importierten Fahrzeugen waren am 1. Januar 2011 noch 1.884 Stück in Deutschland zugelassen. Bild: Citroën / Archiv garage2cv


 
Produktionsseitig ist der im bretonischen Rennes-la-Janais gefertigte BX ein Quantensprung. So kann bei der selbsttragenden Karosserie die Zahl der Einzelteile im Vergleich zum GS von rund 530 auf 330 deutlich verringert werden. Daneben gibt es weniger Schweißpunkte (2.676) und als Folge später weniger Korrosion. Weiteres Novum ist die Verwendung von Verbundwerkstoffen für Stoßfänger, Motor- und Kofferraumhauben, die das Gesamtgewicht des Fahrzeuges reduzieren helfen und so zu niedrigen Verbrauchswerten beitragen. Die hydropneumatische Federung gilt im BX als ausgereift, vor allem aber ist es die Verwendung von Großserientechnik, die dem BX eine hohe technische Zuverlässigkeit beschert. All das sichert diesem ersten echten Baukastenauto der Marke Citroën einen anhaltenden Verkaufserfolg. Schon in den ersten Jahren hat Citroën fast eine Million Exemplare abgesetzt, bis zur Ablösung durch das Nachfolgemodell Xantia im Jahr 1994 werden es stattliche 2.337.016 Stück.
 
Anfangs nur als Limousine ist der BX in drei verschiedenen Motorversionen erhältlich (BX, 14 E und 14 RE sowie 16 TRE), später folgt eine Dieselvariante (1983). Kurzfristig gibt es eine auf 200 Exemplare limitierte Rallyeversion mit 200 PS (1986), doch schon die regulär vertriebenen BX GTI mit 125 PS (1986) bzw. der GTI 16V mit 160 PS (1987) gelten als legendär. 1985 folgt eine Kombiversion, damals bei Citroën und in Frankreich noch Break genannt. Gebaut wird diese bis 1995 angebotene Variante bei Heuliez. Nur relativ kurz im Programm die im Herbst 1989 eingeführte Allradvariante 4WD mit permanentem Allradantrieb, angeboten bis 1994 als 4WD Break und GTI 4WD.
 
Die erste offizielle Präsentation findet am 23. September 1982 unterhalb des Eiffelturms von Paris statt. Bereits seit einigen Tagen hatte eine obskure Holzkiste mit der Aufschrift La nouvelle Citroën auf der ersten Etage des Eiffelturms gestanden und Massen von Touristen irritiert. Nun steht die Kiste wieder unten und wird bei Champagner vom neuen Citroën-Chef Jacques Lombard höchstpersönlich geöffnet: Das erste echte Baukastenauto der Marke, der neue Citroën BX ist da !
 
Von Jan Eggermann, 2013
 
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